Offener Brief vom 11.05.2017

Für Kombi-Lösung von einer oberirdischen Straßenbahn plus Hafen-S-Bahn!

INITIATIVE VERKEHRSWENDE JETZT!

 

Linz, 11.05.2017

OFFENER BRIEF

 

Die "Initiative Verkehrswende jetzt!" übermittelt an die politisch Verantwortlichen in Linz und Land OÖ einen Offenen Brief, um vor sündteuren und kurzsichtigen Fehlentscheidungen bei der Anbindung der Mühlkreisbahn an den Hauptbahnhof und bei der 2. Linzer Straßenbahnachse zu warnen, die bei der kommenden Linzer Gemeinderatssitzung und der Sitzung des OÖ Landtages auf der Tagesordnung stehen.

 

 

 

Linz, am 9.5.2017

An die Herren

Bürgermeister Klaus Luger

Verkehrsstadtrat Markus Hein

Linz

 

Betrifft: 2. Straßenbahnachse Linz, Hafenbahn

 

Ihr Schreiben vom 27.3.2017, Zl 720169372

 

Sehr geehrte Herren!

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung vom 27.3.17. Es bleiben jedoch viele Punkte offen bzw. wurden unsere Bedenken in vielen Punkten nicht entkräftet, weswegen wir uns weiterhin für eine wesentlich kostengünstigere, UND vor allem effizientere, für die Fahrgäste attraktivere und vielfach fachlich bessere Lösung einsetzen.

Dazu dürfen wir auf die von Ihnen angeführten Punkte eingehen:

 

Alles schon geprüft?

 

Auch wenn es schon seit Jahrzehnten Studien gibt, so sind die aktuellen Ausgangsbedingungen doch stark geändert:
Es gibt noch dringenderen Handlungsbedarf, die viel zu hohen Kfz-Mengen in und nach Linz auf den ÖV und den Radverkehr zu verlagern. Die fehlende(n) Brücken sind nur ein Teil des Problems. Ein S-Bahn-System im Großraum Linz gibt es erst seit 5 Monaten, die schrittweise Ausweitung auf ein sternförmiges S-Bahn-System mit Durchbindungen durch den Hauptbahnhof und das östliche Stadtgebiet müssen konsequenterweise weitere logische Schritte sein.
Zum einen, weil die Kfz-Verkehrsflächen in Linz längst nicht mehr den überholten Zielen ständig steigenden Kfz-Verkehrs entsprechend vermehrt werden können (heute gibt es in OÖ um 90 % mehr Kraftfahrzeuge als noch vor 20 Jahren), zum anderen, weil der Autoverkehr so bald als möglich aus Klimaschutzgründen deutlich reduziert werden muss. Österreich muss die Emissionen um 36 % reduzieren, dafür muss auch beim Thema Verkehr sehr viel passieren und das geht nur, wenn man rasch und verstärkt, entsprechende und konsequente Schritte setzt. Nicht zuletzt ist aber auch, um der Stadt als attraktives Lebensumfeld eine tragfähige Zukunft zu ermöglichen, der öffentliche Raum als Lebensraum, nicht als Stapel- und Manipulationsfläche der Kfz, zu erkennen!

Es muss also möglichst schnell, mit möglichst wenig Geld, möglichst viel erreicht werden! Die Projekte müssen maximal verfügbare Reserven für alle denkbaren Entwicklungen in den nächsten Jahrzehnten garantieren. Der Kfz-Verkehr bietet dafür kaum noch Potential, für die Zuwächse des ÖV und des Radverkehrs, auch im Großraum Linz, sind heute alle Optionen zu sichern!

Erst aufgrund der extrem hohen Kosten der jetzt geplanten 2. Straßenbahnachse kann eine Kombilösung mit 2 unterschiedlichen, oberirdischen Achsen angedacht werden, die deutlich billiger und dazu noch verkehrswirksamer ist.

Jahrelang wurde geprüft bzw. vielmehr diskutiert, welche der beiden System (Straßenbahn oder Vollbahn) die bessere Lösung ist.
Jetzt soll eine Lösung mit Straßenbahn und S-Bahn im Tunnel mit allen damit verbundenen Nachteilen realisiert werden. Eine 'Lösung' die allen Anschein politischen Konsens trägt, städtebaulich, technisch und sogar fiskal jedoch nicht nachvollziehbar ist!

Die zweite Straßenbahnachse unterirdisch, zusammen mit einer 'S-Bahn'-Linie zu führen ist nicht zielführend und einfach zu teuer! Den bestehenden Korridor für eine echte (!) S-Bahnline, etwa im Bereich der Hafenbahn, aufzugeben, wäre unverantwortlich!

Eine Streckenführung mit dem Ziel, größere Frequenzbringer einzeln 'abzuklappern', ließe sich auch oberirdisch realisieren.

 

Kostendeckung

Selbst wenn die kurvige, unterirdische Streckenführung über Gruberstraße und Krankenhausviertel etwas mehr Fahrgäste bringen sollte, kann dies niemals so viel sein, dass sich trotz unterirdischer Strecke und unterirdischen Haltestellen mit mehrfach so teuren Errichtungs- und Betriebskosten ein höherer Kostendeckungsgrad als bei einer oberirdischen Führung ergeben kann.

Wir gehen davon aus, dass die Stadt Linz nur die Kostendeckungsgrade unterschiedlicher unterirdischer Varianten verglichen hat, nachdem sie vorher eine oberirdische Lösung ausgeschlossen hat, ohne hier eine offene Variantenuntersuchung durchzuführen.

Der Unterschied der Fahrgastwirksamkeit der Variante Straßenbahn in der Gruberstraße und Variante unterirdische 2. Straßenbahnachse über KUK kann nicht wirklich sehr groß sein, Auch in der Gruberstraße gibt es große Frequenzbringer wie Gebietskrankenkasse, Schulen und tausende Wohnungen.

Auch die 1. Straßenbahnachse mit deutlich mehr Verkehr als auf der 2. Straßenbahnachse funktioniert seit Jahrzehnten bei 6 Kreuzungen zwischen Nibelungenbrücke und Bulgariplatz und Befahrung einer Fußgängerzone sehr gut. Wenn man will, kann man auch auf der 1. Straßenbahnachse herbeireden, dass hier kein störungsfreier und stabiler Betreib möglich sei.
Auch dort ist es oft der Tunnelbetrieb, der Behinderungen darstellt, von der verringerten Leistungsfähigkeit gar nicht zu reden.

 

Sicherheit

Das Erreichen einer hohen Betriebssicherheit kann nicht so weit gehen, dass nur mehr der Verkehr auf 2 Ebenen als sicher gesehen wird.

Das Fahren im Tunnel ist grundsätzlich unsicherer und gefährlicher als auf der Oberfläche.

Tunnels erfordern immer teurere Sicherheitsausrüstungen, die regelmäßig gewartet und erneuert werden müssen.

Unterirdische Haltestellen sind für Fahrgäste zeitraubend und umständlich zu erreichen und werden oft, so wie Unterführungen, als unsicher wahrgenommen.

 

Oberirdische Streckenführungen sind bewährter Standard und stellen im Zusammenspiel mit anderen Verkehrsträgern nur dann ein Problem dar, wenn etwa Kreuzungen, planerisch nicht sorgfältig erarbeitet wurden.

 

 

Offene Variantenuntersuchungen

Unabhängig davon, ob öffentliche Verwaltung oder private Unternehmen für Variantenuntersuchungen herangezogen werden, ergebnisoffene Variantenuntersuchungen müssen seitens der Politik sichergestellt sein. Es scheint dies weder bei der bisherigen Entwicklung der 2. Straßenbahnachse, noch bei der aktuellen Studie für die Durchbindung der MKB der Fall gewesen zu sein.

Es ist bekannt, dass die Linz Linien hohe Anteile oberirdischer Streckenführungen bevorzugen würden, von der Politik aber die überwiegende Tieflage - und nicht so wie im Brief erwähnt die „teilweise Tieflage“ - vorgegeben wurde.

In Zeiten von Sparpaketen und knappen öffentlichen Kassen müsste die Reduzierung teurer Tunnels und unattraktiver, teurer, unterirdischer Haltestellen das vorrangige Ziel sein.

Im Internet sind keine Varianten zu entdecken. Bei derart hohen Investitions- und Betriebskosten ist es die Pflicht der Politik, transparent und nachvollziehbar darzustellen, wie die Entscheidung für die eine oder andere Variante zustande gekommen ist und nicht nur ein Endergebnis zu präsentieren, wobei überdies relevante Fakten (Kostenvergleiche!) ausgeklammert werden!

 

Vom Kfz-Verkehr nicht beeinträchtigter Betrieb

Es ist die Eigenart des städtischen Verkehrs, dass hier der Verkehr neben- und miteinander abläuft bzw. sich die Wege der unterschiedlichen Verkehrsmittel zigtausendfach queren. Innerstädtischer Verkehr, bei dem sich die unterschiedlichen Verkehrsmittel gegenseitig nicht in irgendeiner Form beeinträchtigen, ist teuer und nur dann begründbar, wenn ein deutlicher Zeitvorteil eintritt, was hier nicht der Fall ist.

Für die Hafenbahn als S-Bahnlinie spricht auch, dass hier in wenigen Jahren, auf vorhandenen Trassen und Korridoren, ein vom Kfz-Verkehr nicht beeinträchtigter Betrieb aufgenommen werden könnte!

Auch RadfahrerInnen in Linz wünschen sich viel mehr vom Kfz-Verkehr nicht beeinträchtigte Fahrmöglichkeiten. Dem wird aber in vielen Fällen - und das trotz vergleichsweiser geringer Kosten - nicht nachgekommen.

 

Tagesspitzen, gleichmäßige Auslastung

Wie oben erwähnt gibt es auch im Bereich Gruberstraße dicht besiedelte Wohngebiete, ebenso Schulen, öffentliche Einrichtungen, ...

Eishalle und Parkbad sind Orte, die nicht permanent Fahrgäste bringen, wobei deren Erreichbarkeit bei jeder in Frage kommenden Linienführung der 2.Straßenbahnachse gewährleistet wäre, ebenso wie die der Tabakfabrik, etc., wobei die Linienführung der Straßenbahn weitgehend unabhängig davon ist, ob diese ober- oder unterirdisch geführt wird!

Auch der Westring ist ein Projekt, das primär für die Abdeckung der Tagesspitzen errichtet werden soll. Aussagen, hier könnte dauerhaft und über den ganzen Tag das Stadtgebiet wesentlich vom Kfz Verkehr entlastet werden, entsprechen nicht einer fachlichen Beurteilung.

Es ist also sehr weit hergeholt, nur mit dieser (unterirdischen) Linienführung eine gleichmäßige Auslastung der 2. Straßenbahnachse zu erzielen.

Ein Gutteil der jetzt schon vorhandenen Straßenfläche in Linz dient (neben dem hohen Anteil für den ruhenden Verkehr) der Abdeckung der Tagesspitzen.

 

Hafenbahn

Fahrzeit

Das Argument der zu langen Fahrzeit über die Hafenbahn gilt jedenfalls in gleicher Weise für die geplante S-Bahn im Tunnel, weil sich diese hinten an die Straßenbahn anstellen müsste.

Evtl. geringe Fahrzeiterhöhungen von 1-2 min müssen im Verhältnis zu der Notwendigkeit gesehen werden, wenn Fahrgäste noch einmal umsteigen müssen, um ins Hafenviertel zu gelangen bzw. generell zu den von ÖV-Nutzern in Kauf genommenen längeren Reisezeiten zu ihren Zielen (oft bis zu einer Stunde pro Tag).

Außerdem sollte die isolierte Betrachtung der Fahrzeit zum Hbf. Linz nicht im Vordergrund stehen. Es geht um den Großteil der Fahrgäste, welche von den Umsteigemöglichkeiten (z.B. Linz Linien 12, 17, 19, 25, 27, 46) entlang der Strecke im Stadtgebiet profitieren würden, umso mehr wenn auch vom Hbf. Durchmesserlinien auf dieser Strecke geführt werden.

 

Güterverkehr auf der Hafenbahn

Das Zusammenspielen mit dem Güterverkehr auf der Hafenbahn erfordert klarerweise ein entsprechendes Betriebskonzept, welches im Detail vermutlich noch nie erstellt wurde. Es gibt aber tw. (auf 1,5 km Länge) parallele Gleise, wodurch die Gleislänge mit Doppelnutzung (Personen- und Güterverkehr) klein gehalten werden kann bzw. auch sicherlich genügend Platz für zusätzliche Ausweichen.

Langfristige Überlegungen erforderlich

Eine allfällige Auflassung der Hafenbahn als Verlängerung der Eisenbahnbrücke erfordert eine umfassende Beurteilung über alle möglichen zukünftigen Entwicklungen bzw. auch ein Gesamtverkehrskonzept Linz, welches nicht nur allgemein gewünschte bzw. beabsichtigte Entwicklungen aufzeigt, sondern ganz konkret darlegt, mit welchen denkbaren (und leistbaren) ÖV-Projekten dieses umzusetzen ist.

Daher muss konkret diese Frage gestellt werden:
Wie und mit welchen Öffentlichen Verkehrsmitteln werden die Fahrgäste in und durch Linz befördert, sobald es in Linz zu starken Änderungen des Modalsplits auf den Zielachsen nach Linz bzw. auch in Linz kommen wird (d.h. Reduktion des MIV-Anteiles auf den Zielachsen von dzt. 70-80 % auf 50-60 % bzw. rd. 40 - 50.000 zusätzliche ÖV-Wege), die für das Erfüllen der Klimaschutzvorgaben erforderlich sind.

Es muss also ausgeschlossen werden, dass in absehbarer Zukunft eine Gesamtplanung ergeben kann, dass die (dann nicht mehr mögliche) Verwendung der Hafenbahn als notwendig erachtet werden würde. Diese ideale Streckenführung wäre dann verschenkt und nicht mehr möglich!

Die Auflassung bzw. das Verbauen der Bahnstrecke in Verlängerung der Eisenbahnbrücke zur Westbahnstrecke, die die Derfflinger-, Garnison-, Prinz-Eugen-, Liebig- und Franckstraße gequert hat. war ja auch schon so ein Fehler, der jetzt bei der Hafenbahn wieder droht!

Eine Frage über die Zukunft der Hafenbahn ist auch eine Frage, wie die heutige Politik mit den vielfältigen Optionen für die Zukunft umgeht!

 

Dem Hafenviertel gehört die Zukunft, warum nicht beim ÖV?

Überall wird verlautet, dass dem Hafenviertel die Zukunft gehört, nur beim Öffentlichen Verkehr gibt es diese Aufbruchsstimmung nicht.
Jetzt hat man die Möglichkeit, eine vorhandene Bahnstrecke dafür zu nutzen und ignoriert das beharrlich.
Die Trasse der Hafenbahn würde jedenfalls um 500 bis 1000 m näher verlaufen als die unterirdische Straßenbahnachse – teilweise sogar in fußläufiger Entfernung zu den Zielorten im Hafenviertel.

Wenn diese Trasse jetzt verloren ginge, wäre nichts gewonnen, aber viel zerstört!

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Nähere Rückfragen:

 

DI Lukas Beurle

Mag. Hayk Pöschl

Mag. Gerald Oberansmayr

 

 

 

Die INITIATIVE VERKEHRSWENDE JETZT! ist ein Netzwerk von mittlerweile 19 Bürgerinitiativen und Vereinen, die sich für eine umwelt- und menschenfreundliche Verkehrswende in Oberösterreich einsetzen. Nähere Informationen auf http://www.verkehrswende-jetzt.at/